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Die Wahrnehmung von Geschmack

Geschmack ist, was die Zunge wahrnimmt - fünf Richtungen, mehr nicht. Den Rest macht die Nase, einige tausend Aromen kann sie unterscheiden. Aus diesen Sinnen macht das Gehirn, was man umgangssprachlich als «Geschmack» bezeichnet.



Der Geschmack ist verschieden von Mensch zu Mensch, diese Unterschiede kommen jedoch aus der Nase
Der Geschmack ist verschieden von Mensch zu Mensch, diese Unterschiede kommen jedoch aus der Nase

Über Geschmack kann man bekanntlich streiten. Die verschiedenen Empfindungen von einem Essen sind jedoch keine Geschmacksache, sondern eine Aromensache. Der Unterschied wirkt ein wenig wie Wortklauberei, aber es sind völlig verschiedene Stoffe und Mechanismen, die das Gehirn des Menschen zu einem Geschmacksbild zusammenfügt.

 
 Geschmack und Geruch zu Urzeiten
Der Mensch stammt vom Affen

Geschmack und Geruch zu Urzeiten

Der Mensch stammt vom Affen ab und die Evolution läuft sehr langsam ab. Unser heutiger Geschmack und viele soziale Verhaltensweisen stammen auf einer Zeit, als die Nahrung gesammelt und gejagt wurde, die menschlichen Gruppen weit unter 100 Individuen und Gefahren durch Bären und Wölfe jederzeit gegeben war. Zu Zeiten der Neandertaler gab es noch kein Internet, in dem man eben nachsehen konnte, ob und wie man eine Pflanze essen sollte, wie man Feuer macht. Es wurde auch nicht oder kaum Wissen weiter gegeben. Der Mensch war wie jedes Tier auf seinen Instinkt angewiesen und wer den richtigen / passenden Instinkt entwickelte, war in der Evolution erfolgreicher.

 
 Angeboren und erlernbar: was schmeckt
Was wir heute als angenehm

Angeboren und erlernbar: was schmeckt

Was wir heute als angenehm (reife, süße Früchte) oder ekelhaft (faules Fleisch) empfinden, hat sich größtenteils vor einigen 10.000 Jahren entwickelt. Dieses Empfinden ist angeboren und angepasst an das Erlebte vor Urzeiten, daher in Nuancen verschieden. Ein sehr junges Kind in Kiel wird einen anderen angeborenen Geschmack haben als ein Kind in Kathmandu, Süßes mögen sie beides, Bier werden beide als sehr unangenehm empfinden.

Geschmack ist durch Gewöhnung sehr anpassungsfähig. Wenn sich die Ernährung änderte, mussten Menschen und besonders die Vorläufer der heutigen Menschen flexibel auf das Angebot reagieren können. Ein Beispiel ist das süße «continental breakfast», das mutigen Fernreisenden zum Beispiel in England angeboten wird, wo weit deftiger und salziger gefrühstückt wird.

Im fernen Asien wird man verzweifelte Engländer und Alemannen um Töpfe mit Nudelsuppen drucksen sehen, während Italiener und Franzosen stolz darauf sind, dass sie nur einen Café trinken - und wehe, den gibt es nicht oder nicht so wie zu Hause!

Diese Angewohnheiten ändern sich jedoch schnell mit den Lebensumständen. Ebenso kann man sich etwa das Salzen an- und abgewöhnen. Industriell erzeugte Nahrung ist fast immer süß (zumindest gesüßt) und fettig. Einmal daran gewöhnt, schmeckt ein wertvolles Essen nicht mehr gut.

 
Salz ist einer der fünf Geschmacksrichtungen
Salz ist einer der fünf Geschmacksrichtungen

Die fünf Geschmacksrichtungen

Die Zunge nimmt über Geschmacksknospen, die über die gesamte Zungenoberfläche verteilt sind, fünf Grundgeschmacksrichtungen wahr. Diese Geschmackseindrücke entstehen, wenn spezifische Moleküle und Ionen aus der Nahrung an die Rezeptoren der Geschmacksknospen binden.

Süß: Wird durch Zucker und ähnliche Substanzen erkannt. Süßrezeptoren reagieren auf die Präsenz von Glukose und anderen süßen Substanzen. Süße signalisiert oft Energiegehalt der Nahrung.

Sauer: Wird durch die Wasserstoffionenkonzentration (pH) in Substanzen vermittelt. Saure Geschmäcker warnen oft vor nicht reifen oder verdorbenen Lebensmitteln.

Salzig: Entsteht durch das Vorhandensein von Natriumionen (meist aus Kochsalz). Salzigkeit ist wichtig für die Regulierung des Wasserhaushalts im Körper.

Bitter: Kann durch viele verschiedene Chemikalien ausgelöst werden. Bitterkeit warnt häufig vor potenziell giftigen Substanzen und kann sehr empfindlich wahrgenommen werden.

Umami: Bedeutet „wohlschmeckend“ auf Japanisch und wird durch Glutamat und andere Aminosäuren vermittelt. Umami ist ein Zeichen für Proteinreichtum in Lebensmitteln und wird oft als herzhaft oder fleischig beschrieben. Insbsondere ist Umami ein Zeichen für: «gekocht» und damit: «gesund». Das dürfte der Grund sein, warum weltweit Umami als sehr lecker empfunden wird. Egal ob frisches Brot, Braten oder Pizza aus dem Ofen, ein kräftiger Eintopf oder gebratene Pilz über einem Risotto (und der geriebene Parmesan): lecker!

 
Der saure Geschmack der Zitrone geht in das Wasser über, den Duft des Lavendel aus der [[reg || Provence]] bringt man hingegen nicht ins Wasser, er ist nicht wasserlöslich
Der saure Geschmack der Zitrone geht in das Wasser über, den Duft des Lavendel aus der Provence bringt man hingegen nicht ins Wasser, er ist nicht wasserlöslich

Geschmack im Wasser, Aroma im Fett

Die Zunge kann die sechs Geschmacksrichtungen unterscheiden. Was man umgangssprachlich als «Geschmack» bezeichnet, ist das Zusammenspiel von diesen sechs Geschmacksrichtungen der Zunge und den vielen Tausend Aromen, die die Nase riecht.

Ob man auf einem Apfel oder einer Birne herumkaut, schmeckt man nicht, man riecht es. Ebenso praktisch alle Gewürze, viele Inhaltsstoffe von Gemüse: sie werden gerochen, nicht geschmeckt. Was man riecht, wird als Aroma bezeichnet. Die Aromen sind fast alle fett-, nicht jedoch wasserlöslich.

Beim Kochen werden viele Inhaltsstoffe im Fett gebunden und beim Essen im Mundraum freigesetzt. Viele der Aromenstoffe verändern sich bei hohen Temperaturen und verflüchtigen sich. Bei höheren Temperaturen verstärkt. Ein wenig Fett im Kochwasser bindet deutlich Aroma, viele Kräuter werden erst zum Ende der Garzeit zugegeben.

Was umgangssprachlich als Geschmack bezeichnet wird, ist das Zusammenspiel von Geschmack und Aroma, wenn im Mund die gelösten Aromen freigesetzt und von der Nase wahrgenommen wird. Die Art, wie ein Essen beim Kochen zubereitet wird (Temperatur, Dauer, Zeitpunkt der Zugabe von Gewürzen und Anteil von Fett) beeinflusst stark diese Wahrnehmungen.

 
Das Gehirn setzt die Eindrücke von Zunge und Nase zusammen und gleicht sie mit Erfahrungen ab
Das Gehirn setzt die Eindrücke von Zunge und Nase zusammen und gleicht sie mit Erfahrungen ab

Das Gehirn verarbeitet die Signale der Sinnesorgane und verarbeitet zudem Erinnerungen und Erfahrungen. So werden Fisch und Bergkäse bei einem an der Küste Aufgewachsenen andere Emotionen auslösen, als bei einem Allgäuer.

Auch lässt sich das Gehirn gerne täuschen. In hellem Licht «schmeckt» es anders als in einer dunklen Kaschemme. Schaut die Chefin streng beim Mittagessen, ist das Essen anders, als lächelte eine Kollegin über eine Bemerkung. Zudem versperren oft Vorurteile den Zugang zu einem objektiven Urteil.

Das alles führt zu großen Unterschieden, wie der Geschmack eines Essens, eines Weines oder die Kombination von Essen und Wein wahrgenommen wird.