Die Geschichte des Weingutes Chat Sauvage im Rheingau beginnt nicht im Jahre 2000, als der Hamburger Günter Schulz in Johannisberg ein Weingut gründete. Vermögende Unternehmer kaufen Weingüter: gute PR, hübsche Photos, neidische Freunde. Sie gründen jedoch eher selten eines.
Schulz ist und war ein Kenner und Sammler von Weinen aus dem Burgund
- besonders der Weine aus großen Lagen des Pinot Noir
. Damit beginnt die eigentliche Geschichte des Weingutes Chat Sauvage schon rund 1000 Jahre zuvor, als im Burgund das Benediktinerkloster Cluny im 10. Jahrhundert durch Schenkungen über bedeutende Weinberge verfügte. Es folgten weitere Klöster des Zisterzienserordens in Vougeot, Pommard, Nuits-Saint-Georges und Beaune - damals wie heute erstklassige Weinberge.
Nun wurden die Klöster nicht gegründet, weil man dort so leckere Weinchen machen konnte, sondern die Kirche mit der räumlichen Ausdehnung ihrer Besitze ihre Macht zementierte. Die Mönche sollten und mussten Geld aus dem Kloster erwirtschaften. Die Mönche waren gebildete Menschen - sie beteten zwar wie die örtlichen Bauern um gutes Wetter. Aber sie schrieben auch auf, was passiert, wenn es doch einmal zu Lese regnet, der Sommer besonders heiß oder trocken war.
Und sie schrieben es genau auf. Sehr genau. Und vor allem: sie schrieben es für jeden kleinen Fleck im Weinberg gesondert auf. Notierten die Entwicklungen der Reben, der Trauben und später der Weine. Eine solcherart intensive Beobachtung des Weinbaus hätte jeder Region enorm viel Wissen gebracht. Im Burgund jedoch kam die Rebsorte Pinot Noir hinzu, mit der sich die Mönche beschäftigten.
Anders als fast alle anderen Rebsorten, ist Pinot Noir extrem empfindlich auf den Boden und das lokale Mikroklima. Jede Rebsorte reagiert auf diese Einflüsse und besondere Lagen gibt es für jede Rebsorte und jede Region.
Im Burgund jedoch wurden über die Jahrhunderte durch die Mönche auf den zum Teil winzig kleinen Lagen einzelne Weine erzeugt, die den Charakter dieses kleinen Fleckchens Erde verkörperten.
Als im Burgund der Weinbau erforscht wurde, konnte in Mainz das dortige Bistum seine Macht immer weiter ausbauen, indem es den Adel zunehmend unterwarf. Am Rhein machten die Mönche in einer solchen Situation auch nichts anderes als im Burgund: Sie gründeten Klöster, davon eine ganze Reihe im heutigen Rheingau.
Klöster brauchen Mönche und es kamen Mönche aus dem Burgund in den Rheingau. Sie brachten vor allem auch das Wissen um den Weinbau mit.
Im 12. Jahrhundert begann am Rhein, was schon im Burgund so großen Erfolg hatte: Die Weinberge wurden genau untersucht, abgesteckt und kartographiert. Es begann allerdings zu spät: Reformation, Revolution und Kriege haben dem Rheingau den Erfolg verwehrt, der im Burgund möglich war.